Bewunderung verdient man sich doch härter als gewünscht

Ich bewundere, wie Du das alles schaffst, dass Du das alles so schaffst, wie Du das alles so hinbekommst, dass Du dabei immer noch gute Laune hast, dass Du nicht todmüde bist, dass Du noch nicht aufgegeben hast, dass Du das so kannst….

Nahezu täglich höre ich einen dieser Sätze in unterschiedlichster Form und Anreihung ähnlicher Worte mit dennoch immer der gleichen Aussage.

Man bewundert mich, mein Umfeld bewundert mich, die Welt bewundert mich ! Und ich? Ich wundere mich!
Ich wundere mich, dass es “nur” meinem Umfeld auffällt, nicht mir.

Nach dem x-ten und jüngsten Satz dieser Bewunderung bin ich auf dem Weg zur Arbeit mal tief in mich gegangen. Ich hatte Zeit, bin ja schließlich lange genug unterwegs.

Ist es wirklich so viel mehr, dass ich leiste? Sind andere so viel weniger belastbar? Fällt anderen auf oder gar schwer, was für mich eine Selbstverständlichkeit ist? Ist es eine Selbstverständlichkeit und fällt sie mir nur nicht auf, weil ich mich nicht mit ihr beschäftige? Oder weil sie halt immer schon war? Oder es halt auch anders nicht geht?

Fragen über Fragen, die ich nicht wage, mir zu stellen, die aber vielleicht das ein oder andere auslösen würden und ich mich deshalb nicht wage, sie zu stellen. Weder mir noch anderen, denn die Wahrheit will ja bekanntlich niemand hören. Also ich am allerwenigsten.

Ja ich stehe jeden morgen zwischen 4 und 5 Uhr auf, um danach 1 Stunde zur Arbeit zu fahren (beste Uhrzeit übrigens, um Staufrei in die Großstadt zu kommen, in der ich mir selbst ausgesucht habe zu arbeiten und auch weit weg davon zu wohnen, da es dort so traumhaft magisch schön ist, elendig teuer, aber eben selbst ausgesucht)

Ja ich habe einen Job, der mich komplett auslastet, ich dauerhaft unter Strom stehe und keine Zeit für eine mir gesetzlich zustehende Pause habe, auf den ich aber nach meinem etwas holperigen orientierungslosen  und seitens meiner phlegmatischen und bequemen Eltern nachlässig unterstützten Start ins Berufsleben vor nunmehr 35 Jahren prinzipiell stolz sein kann, ihn erreicht zu haben. Mein Herzensmann nennt es gerne Glück gehabt, ich denke, es ist doch eher der Mut, die Energie, die Leistung und das Durchhaltevermögen gewesen, aber der eine sagt so, die andere sagt so. Am Ende ist es ein richtig guter Job im gehobenen Management in einem international angesehenen spanischen Unternehmen, nachdem ich meine leidenschaftliche Liebesbeziehung zu einem ebenso namenhaften  internationalen irischen Unternehmen schmerzhaft, aber gesund gelöst habe, zumindest sagen das auch die anderen, die die mit der Bewunderung.

Ja ich kümmere mich nach der Arbeit und der auf dem Rückweg dann doch knapp 2 stündigen Fahrt (1 Stunde opfere ich dem mittleren Ring, auf dem man halt eher steht als fährt), um meinem zauberhaften Herzensmann, der leider unfallbedingt und noch viel mehr leider eigens verschuldet seit 1,5 Jahren den Rollstuhl hütet, über den ich, wenn es nicht gerade die irgendwo für ihn Sinn gemacht liegen gelassenen Krücken sind, ebenso lange schon stolpere, wenn ich morgens s.o.zwischen 4 und 5 Uhr, um siehe Text auch oben, in die Küche wanke, um mir einen Kaffee zu machen. Selbstverständlich hole, bringe, lege, stelle, trage, mache ich mal eben nur, weil er kann ja halt nicht und hat es sich jetzt echt auch nicht ausgesucht. Nee wohl wahr, ich allerdings auch nicht.

Ja wenn ich Glück habe und wir haben ausnahmsweise keine touristischen Freunde oder Familie auf der Schlafcouch liegen, die ihren Urlaub an diesem ach so herrlichen Urlaubsort, mensch Ela, Du wohnst aber auch schön und wir sind so froh, dass wir zwischen einem Wochenende und 3 Wochen hier sein dürfen, kann ich morgens zwischen 4 und 5 sogar ein kleines Licht anmachen und ohne schlechtem Gewissen meine Tasse  Kaffee durchlaufen lassen, ohne jemanden der Urlauber zu stören oder gar zu wecken. Ich freue mich übrigens über jeden einzelnen unserer vielen Gäste und kann die Tage im Jahr ohne Beherbergung  an zwei Händen abzählen, dennoch schränkt es mich doch tatsächlich ein wenig ein, räumlich, zeitlich, in meiner Privat- sowie Intimsphäre. Ich verschiebe dann gerne auf nach dem Besuch, wobei der eher vor dem Besuch ist und ich somit auf den dann folgenden danach Besuch, welcher ja wiederum davor ist und so weiter verschiebe. Und zwar mit allem, was andere eben immer wohl so machen – bügeln, aufräumen, einrichten, googeln, in Ruhe zur Toilette gehen, Nägel lackieren, Augenbrauen zupfen, spazieren gehen, essen, was ich mag, schweigen, ein Buch lesen, dieses Buch schreiben, Dinge halt, die  für mein bewunderndes Umfeld anscheinend wiederum so selbstverständlich sind wie für mich, sie auf nach dem Besuch und dem darauffolgenden zu verschieben.

Ja ich widme, spende, schenke meine kärgliche mit großer Vorfreude erwartete  Freizeit sehr gerne, gerne, ungern, gezwungenermaßen, liebend, voller Freude, leidenschaftlich, am liebsten aber vor allem betrunken meinem großen Freundeskreis, meinem gehandicapten Mann, meiner  kleinen, geliebten Familie.

Ja ich kaufe sogar ein für all die oben genannten, ich spende auch dafür einen Teil meiner Zeit, meist auf dem Weg von der Arbeit zu dem Nach Hause, welches ich mit einer Stange Geld im Monat gemietet habe, welches mich finanziell dadurch natürlich ein klitzekleines bisschen einschränkt, da sich Paradiese gerne was kosten lassen. Ebenso spende ich einen Teil dieses Restgeldes für das leibliche Wohl unseres Besuches (wohlgemerkt nicht nur meines, da wir in unserer Ehe durchaus gemeinsame Freunde erworben haben und davon nicht zu knapp) Wir sind halt gesellige Menschen, wat kost der Geiz, wie man bei uns im Pott sagt.

Ach so, ja ich schleppe anschließend zwischen 1 und 4 (je nach Gruppengröße und Bedarf) Einkaufstaschen zum Auto und von dort aus zur Wohnung, auf dessen Terrasse bereits in meinen ach so bequemen Acapulco Stühlen auf mich gewartet wird. Ich unterstelle jetzt mal ganz selbstlos, dass man sich wirklich auf mich freut und nicht nur auf die Inhalte meiner Einkäufe, die ich jetzt eben noch in der Jacke stehend ausräume, um meinen Mann flötend und großherzig fragen zu hören, wer denn jetzt was trinken möchte, da die Getränke endlich da sein und oh man, warum denn keiner neue Eiswürfel vorberietet hätte und der Whiskey und die noch Ladenwarme Cola nun zwar nicht soooo gut schmecken würden, aber naja, er sich dann halt jetzt mal um die Eiswürfel kümmern würde, alles müsse man selber machen.

Zwischen nach und vor dem Besuch darf ich Gott sei dank arbeiten, klar während eh, aber dem Umstand sei dank, werden die Betten neu bezogen und mir abends nach der Arbeit voller Stolz berichtet, dass sogar die Bettwäsche bereits gewaschen sei und die Spülmaschine laufe. Ja klingt auch in meinen Ohren komisch, denn die arbeiten ja wissentlich parallel, zeitgleich und selbstständig, wenn man sie gefüllt hat. Zum ausräumen bin ich ja spätestens wieder zurück.

Also keine Sorge, ich habe quasi keine Zeit Überstunden zu machen. Meine Aufgaben als aufmerksame Gastgeberin, herzliche Ehefrau, mehr oder minder schlechte Krankenschwester, verständnisvolle und immer und überall zur Seite stehende Mutter, artige und treusorgende Tochter, mega coole und für jeden Scheiss zu haben mit einer Flasche Rotwein und wahlweise Sekt, je nach Freundin Freundin, lässt ein länger arbeiten echt nicht zu. Sorry Chef, aber man muss Prioritäten setzen.

Ja ich organisiere, finanziere, buche, erinnere, fahre, bringe, hole, trage, feiere, bin oder bin eben nicht, je nachdem leide mit oder ohne und stemme alles übrigens mit einem Lächeln im Gesicht oder auch, je nach Alkoholpegel lautem Lachen und viel zu wenig Schlaf UND ich ernte dafür jede Menge Bewunderung, Respekt und ich glaub, ich könnte das Nicht.

Applaus für den Künstler nennt man das glaube ich. Vielen Dank für nichts 😉🥂💁🏻‍♀️

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